Ein Blick auf das Scrum-Board (oder auch Taskboard) eines Scrum-Teams sagt viel über das Team aus. Die oben beschriebene Situation ist gar nicht so abwegig, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Gerade unerfahrene Scrum-Teams laufen Gefahr, ihr Scrum-Board nicht optimal zu nutzen.
In den letzten Jahrem ist die Anzahl elektronischer Scrum Boards durch die zunehmende weltweite Verteilung von Mitarbeitern immer weiter gestiegen. Nichtsdestotrotz versuchen wir, wo immer es möglich ist, physische Boards einzusetzen, weil sie einen Sammelpunkt für informationen und Gespräche darstellen und die haptische Erfahrung etwas anderes ist, als eine elektronische Karte weiterzuschieben.
Zeilen und Spalten
Die Anzahl der Zeilen richtet sich nach der zu erwartenden Anzahl Backlog Items pro Sprint, die sich wiederum nach der Granularität des Product Backlog richtet. Die Zeilenhöhe sollte jeweils ein Vielfaches der Task-Karten betragen, damit diese bequem aufgehängt werden können. Auch dieser Wert ist natürlich kontextabhängig; wir haben gute Erfahrungen mit der zwei- bis dreifachen Höhe einer Taskkarte (A5- oder A6-Format) gemacht.
User Story/Backlog Item
In dieser Spalte werden die Backlog Items aufgehängt. Die Karten sollten etwas größer sein als die Task-Karten, um das Backlog Item unterscheiden zu können. Die Karten sollten eine eindeutige Bezeichnung (ID), den Inhalt in einem Satz (zum Beispiel als User Story) und die Akzeptanzkriterien enthalten. Die Breite dieser Spalte sollte etwa ein Siebtel der zur Verfügung stehenden Gesamtbreite des Scrum-Boards haben.
Offen (Open)
In diese Spalte werden während des Sprint Planning alle Tasks gehängt, die zur Erledigung des zugehörigen Backlog Items notwendig sind. Da diese Spalte zu Beginn alle Tasks sichtbar aufnehmen muss, empfehlen wir als Breite etwa drei Siebtel des Scrum-Boards.
In Arbeit (Work in Progress, WIP)
In diese Spalte werden während des Sprints die Task-Karten gehängt, die sich gerade in Bearbeitung befinden. Da dies selten alle Task-Karten gleichzeitig sind, reicht hier eine Breite von einem Siebtel der Gesamtbreite.
Manche Teams limitieren die Anzahl der Task-Karten, die in dieser Spalte hängen dürfen, um sicherzustellen, dass sie wirklich fokussiert an den Themen arbeiten.
Fertig (Done)
In dieser Spalte sammeln sich alle erledigten Task-Karten und zu guter Letzt das vom Product Owner akzeptierte Backlog Item. Da hier die Sichtbarkeit jeder einzelnen Karte keine so große Rolle spielt wie in der Spalte »Offen« und erledigte Karten deshalb oft übereinander gehängt werden, ist hier eine Breite von zwei Siebteln der Gesamtbreite ausreichend.
Je weiter fortgeschritten ein Sprint ist, desto mehr Task-Karten sammeln sich in der Spalte »Fertig«. Das hat oft zur Folge, dass Teammitglieder sich während des Daily Scrum orientieren müssen, wo ihre seit gestern erledigten Tasks sind. Oftmals wird auch vergessen, das Team über erledigte Tasks zu informieren, weil sie in dem Wust von abgeschlossenen Tasks untergehen. Schlagen Sie dem Team vor, zwischen den Spalten »In Arbeit« und »Fertig« eine Subspalte mit der Überschrift »Landebahn« einzurichten. Die bestehende Spalte »In Arbeit« kann dafür etwas verkleinert werden. Wenn ein Teammitglied nun im Laufe des Tages einen Task erledigt hat, verschiebt es den Task in die Landebahn. Im Daily Scrum wird nun die Landebahn geräumt und nichts wird vergessen. Nach dem Daily Scrum ist sie leer und wird bis zum nächsten Daily Scrum neu gefüllt.
Physis des Scrum-Boards
Wand
Scrum fördert Transparenz in allen Bereichen. Durch ein großes Scrum-Board an einer Wand wird diese optimal unterstützt. Jeder, der in den Teambereich kommt, kann durch ein gut gepflegtes Scrum-Board den aktuellen Stand im Sprint erkennen. Meist arbeitet man an der Wand mit Post-its, da man diese schnell verschieben kann und sie keine Spuren an der Wand hinterlassen.
Achten Sie darauf, dass Sie Post-its mit hoher Klebkraft benutzen, die nach mehrmaligem Umhängen noch haften. Es ist sehr mühsam, jeden Morgen heruntergefallene Post-its wieder an die richtige Stelle zu hängen.
Es gibt heutzutage viele Hilfsmittel, um Wände nutzbar zu machen. Eventuell lohnt sich auch die Anschaffung einer Wandfolie, auf der nicht nur Post-its gut haften, sondern mit abwaschbaren Stiften auch Zeichnungen und Notizen angebracht werden können.
Glaswand
Moderne Großraumbüros sind oft durch Glaswände unterteilt. Diese eignen sich hervorragend für ein Scrum-Board mit Post-its. Meist handelt es sich um aus mehreren Teilen zusammengesetzte Glasflächen, deren Nähte man als senkrechte Trenner für die Spalten des Scrum-Boards verwenden kann.
Klebestreifen
Wenn die Beschaffenheit der Wand es nicht zulässt, dass Post-its daran haften bleiben, bieten sich Klebestreifen an. Dazu klebt man zunächst einen Streifen Gewebeband über die volle Breite des Scrum-Boards. Anschließend klebt man ein Post-it als »Abstandhalter« auf diesen Streifen und klebt einen neuen Streifen mit etwa 2 cm Abstand unter die Unterkante des Post-its. Damit hat man den Abstand zwischen zwei Klebestreifen und kann das Scrum-Board entsprechend aufbauen.
Auch bei den Klebestreifen gilt: Besorgen Sie Klebeband mit hoher Klebkraft (z. B. Gewebeband). Wenn sich ein oder mehrere Streifen von der Wand lösen, ist das Chaos vorprogrammiert.
Planungstafel
Manchmal stehen keine hinreichend großen Wandflächen zur Verfügung, um sie als Scrum-Board zu benutzen, oder es ist seitens des Unternehmens nicht gestattet, die Wände zum Beispiel mit Post-its zu bekleben. In diesem Fall bietet sich eine bewegliche Planungstafel an. Diese haben in der Regel eine Fläche von 1,80 m × 1,80 m, auf der man das Scrum-Board erstellen kann. Diese Fläche sollte auch minimal zur Verfügung stehen, um mit mehreren Personen aktiv am Scrum-Board arbeiten zu können. Angebracht ist eher sogar noch eine größere Fläche. Dazu benutzt man entweder Post-its oder Moderationskarten und Nadeln. Verglichen mit ganzen Wänden verfügen Planungstafeln zwar nur über eine relativ kleine Fläche, sie sind jedoch sehr flexibel, wenn man das Scrum-Board mit in ein Meeting oder eine Präsentation nehmen möchte.
Falls die Developer die Backlog Items in so viele Tasks zerlegen, dass eine Planungstafel nicht ausreicht, stellen Sie einfach eine zweite daneben und verdoppeln damit die Breite des Scrum-Boards.
Magnetwand
Manche Teams benutzen Whiteboards als Scrum-Board oder verfügen über in die Wände eingearbeitete magnetische Platten. Sie befestigen daran oft Moderationskarten mit kleinen Magneten oder benutzen flache, magnetische Scheiben in unterschiedlichen Größen als Karten.
Für einen guten Überblick, wer gerade an welchem Task arbeitet, bitten wir die Developer meist, ihren Namen oder ihr Kürzel auf die jeweils bearbeitete Taskkarte zu schreiben. Noch mehr Spaß macht es allerdings, wenn alle sich einen Avatar anlegen, also ein Bild oder ein Symbol, das die jeweilige Person identifiziert. Manche Teams wählen aus bestehenden Avataren (z.B. Pokemons, Star Wars Charaktere o.ä.), manche designen sich ihre eigenen. Je nach Beschaffenheit des Scrum Boards kann man wiederverwendbare magnetische Avatare verwenden oder kleine Aufkleber drucken lassem. So bekommt man für kleines Geld eine große Identifikation des Scrum Teams miteinander und mit dem Board.
Farben und Formen
Das gezielte Einsetzen von Farben und unterschiedlichen Karten- oder Post-it-Größen am Scrum-Board kann die Übersichtlichkeit sowohl für das Scrum-Team als auch für den neutralen Betrachter enorm erhöhen. Darüber hinaus können durch geschickte Farb- und Formauswahl zusätzliche Informationen transportiert werden, um den Überblick über den Sprint zu behalten und Verbesserungspotenziale zu erkennen. Unser Beispiel zu Beginn des Abschnitts beschreibt zwar auch viele verschiedene Formen und Farben, jedoch fehlte diesen eine Bedeutung, wie wir sie im Folgenden vorstellen.
Wir arbeiten in der Regel mit drei verschieden großen Post-its, die wir in der Folge als »groß«, »mittelgroß« und »klein« bezeichnen. Die auf den nächsten Seiten beschriebenen Farben stellen Vorschläge dar, die sich in unserer Praxis bewährt haben.
Entscheiden Sie sich einmal zu Beginn eines Projekts für die Farben, die Sie für die folgenden Situationen verwenden wollen, und behalten Sie diese Farbcodierung bei.
Verwirrende Farbvielfalt oder unübersichtliche Eintönigkeit
Auf einem sehr bunten Scrum-Board findet das Auge keinen Bezugspunkt und damit keine Orientierung. Für den Außenstehenden sieht es sehr chaotisch aus, selbst wenn das Scrum-Team sich inzwischen darauf zurechtfindet. Meist kommen solche Scrum-Boards zustande, weil einfach die gerade verfügbaren Post-its oder Moderationskarten genommen werden.
So wie ein Wildwuchs an Farben und Formen zu Unübersichtlichkeit führen kann, so kann dies auch durch die Benutzung einer einzigen Post-it- oder Moderationskartengröße in einer einzigen Farbe geschehen. Alles verschwimmt zu einem Einheitsbrei, eine Differenzierung nach Dringlichkeit, Zusammengehörigkeit, zeitlicher Abhängigkeit usw. ist kaum möglich.
Besprechen Sie mit dem Team, wie das Scrum-Board vermutlich auf Außenstehende wirkt. Schlagen Sie eine Bedeutung der Farben und Formen vor. Falls das Team keine Änderung vornehmen möchte, empfehlen Sie ein Experiment für die Dauer eines Sprints und unterstützen Sie das Team aktiv, indem Sie während des Experiments bei der Pflege des Scrum-Boards mitwirken. Noch besser: Fragen Sie Außenstehende, wie das Board auf sie wirkt.
Backlog Items
Die Backlog Items stehen in der ersten Spalte des Scrum-Boards. Dazu drucken wir jedes Backlog Item mit seinen Akzeptanzkriterien auf einer halben DIN-A4-Seite aus, schneiden es aus und kleben es auf ein großes Post-it. Die Farbe des Post-its ist egal, da man es unter dem Ausdruck kaum sieht.
Tasks aus dem Sprint Planning
Diese Tasks werden während des Sprint Planning auf gelbe, mittelgroße Post-its geschrieben. Durch die einheitliche Farbe ergibt sich am Ende des Sprint Planning ein harmonisches Bild. Wir haben die gelbe Farbe gewählt, weil an dieser Stelle die größte Anzahl benötigt wird und man gelbe Post-its in größeren, einfarbigen Blöcken bekommt, während andersfarbige Post-its oft nur in Kombipacks erhältlich sind.
Später hinzugekommene Tasks
Wenn im Laufe des Sprints neue Tasks hinzukommen, werden diese auf blaue, mittelgroße Post-its geschrieben. Auf diese Weise kann später nachvollzogen werden (zum Beispiel in der Sprint Retrospektive), wie viele neue Task-Karten nach dem Sprint Planning hinzugefügt worden sind. Dies kann eine völlig normale Situation sein, weil das Team erst im Sprint herausgefunden hat, was genau zu tun ist. Es kann aber auch ein Indiz dafür sein, dass im Sprint Planning nicht sauber gearbeitet wurde, und damit ein Thema für die Sprint Retrospektive werden. Durch die blaue Farbe wird »Achtung, möglicher Handlungsbedarf« signalisiert.
Fehler im Sprint
Wenn während der Arbeit an einem Backlog Item ein Fehler festgestellt wird, der nicht sofort im Dialog behoben werden kann, wird er auf ein rotes, mittelgroßes Post-it geschrieben und in die Spalte »Work in Progress« gehängt.
Unerfahrene Scrum-Teams fordern oft eine komplette Fehlerbeschreibung auf dem Post-it, damit jeder nachlesen kann, was das Problem ist. Ziel ist jedoch die Behebung des Fehlers, nicht seine Dokumentation. Regen Sie die Developer dazu an, den Fehler sofort im Dialog zu beseitigen, anstatt ihn zu dokumentieren und sich erst später darum zu kümmern.
Blocker
Blocker können jede Art von Hindernissen außer einem Fehler sein, die eine Fertigstellung eines Tasks und damit eines Backlog Items gefährden. Sei es, dass auf Designs gewartet wird, dass es Klärungsbedarf durch den Product Owner gibt oder eine Abhängigkeit zu einem Dritten gibt. Diese Blocker kennzeichnen wir mit kleinen roten Post-its, die auf die zugehörige Taskkarte oder auf das Backlog Item geklebt werden.
Achten Sie als Scrum Master auf diese Blocker, oft deuten sie auf Hindernisse hin, die Sie möglichst zügig beseitigen sollten. Bei der von uns verwendeten Farbcodierung fallen die roten Blocker-Post-its auch von Weitem ins Auge, sodass Sie oft schon durch bloßes Hochschauen von Ihrem Schreibtisch erkennen können, ob neue Blocker hinzugekommen sind.
Die oben vorgestellten Farb- und Formkombinationen könnten nach Belieben erweitert werden. Wir haben jedoch die Erfahrung gemacht, dass in diesem Fall weniger mehr ist und eine weitere Differenzierung eher für Verwirrung als für Klarheit und Transparenz sorgt.
Sowohl für das Scrum-Team als auch für Dritte bietet es sich an, die gewählten Farb- und Formenkombinationen neben dem Scrum-Board als Legende abzubilden.